Tuesday 13 September 2011

Die Basti-Jahre

Sternzeit 06-08-08 nach Franz' Geburt. Mittlerweile sind wir zu fünft. Neuzugang Sebastian erhöht die Männerquote im mittleren Management auf drei. Die Musketiere sind komplett. Unten in der Kohlen-Grube ist es noch immer ausgeglichen, da schuften nach wie vor Frau Elter M und Herr Elter P.

An Florians Geburt kann ich mich noch gut erinnern. Wie aufgeregt wir damals waren. Würde alles gut gehen? Werde ich Heidrun eine Unterstützung sein? Wird sie starke Schmerzen haben? Wird es lange dauern? Dann nach der Geburt waren wir überwältigt von Glückshormonen. Ein Wunder der Natur, geschaffen aus unseren Genen. Der Beginn unserer Familie. Das schönste Erlebnis unseres Lebens. Tränen in den Augen, lächelten wir uns gegenseitig an. Friedlich nuckelte Florian an Heidruns Brust.

Im Kontrast dazu verlief Bastis Geburt eher unspektakulär. Wir kamen um 22 Uhr 30 beim Spital an. „Heidrun, gehst du schon mal rein, ich such noch schnell einen Parkplatz?“ 23 Uhr 20 „So, da ist er.“ Schnipp schnapp, Nabelschnur ab. Schnell waschen, abrubbeln, Foto „Cheeeese“. „Passt, dann hätt’ ma das erledigt. Na gut Schatz, du kennst dich eh aus. Ich fahr jetzt heim zu den Großen und hol dich morgen so gegen Mittag ab, ok?“ (Wer die Geburt eines zehnten Kindes sehen will, den verweise ich auf den Monty Python Klassiker „Every sperm is sacred“).

Beim dritten Kind ist man einfach viel erfahrener. Im Gegensatz zu Nummer eins bewundert man auch nicht mehr jedes einzelne Fingerle und Zechi. Unser Urteil war: Sebastian sah nach der Geburt seinen Brüdern zum Verwechseln ähnlich.

Aber das tun eigentlich alle Babys, nämlich verrunzelt und zerquetscht. Direkt nach dem Schlüpfen bekommen sie daher ein blaues Spitalsarmband mit ihren Daten verpasst. Wenn nicht, würden die meisten Eltern wohl ein Kuckuckskind heimtragen. (Hehe, wie naiv von mir. Eine befreundete Mutter hat mich aufgeklärt, dass es auch rosa Armbänder gibt.)

Als Omi und Basti einander zum ersten Mal sahen, klatschte sie entzückt die Hände zusammen und führte sein Aussehen auf das tolle Genmaterial zurück. „Mei, so süß, ganz der Papa.“ Überrascht horchte ich auf. Hallo, einen Moment! War das eine versteckte Beleidigung? Sollte das heißen, ich habe einen Eierschädel, Falten wie ein 70 Jähriger, keine Haare und werde bald Windeln brauchen? Auch Basti musterte mich sofort mit großen Augen von oben bis unten. Der dachte wohl: Soll das heißen, ich habe eine dicke Nase, Haare auf den Beinen, Schweißflecken unter den Achseln und gebe ständig unverständliche Laute von mir?

Von den Brüdern jubelt Matthias am meisten über den Neuankömmling. Sebastian katapultierte ihn vom letzten Platz zur Silbermedaille, beförderte ihn vom Nesthäkchen zum Nesthaken. Unangefochten auf Platz eins, Nestanker Florian.

Ansonsten ist Basti klein und pflegeleicht, so wie man es von Drittgeborenen gewohnt ist. Zur Unterhaltung parken wir ihn täglich acht Stunden in seiner Wippe vor den spielenden oder streitenden Brüdern. Er vergöttert seine privaten Dauer-Kabarettisten und fuchtelt wild mit seinen Fußis und Patschhandis herum. Manchmal entkommt ihm mit einem angedeuteten Lächeln ein gehauchtes „Ääääähhhhh“.

Routiniert wickeln wir ihn nur mehr umweltschonende dreimal am Tag statt der völlig überdimensionierten acht bis neun Wickelsessions bei Florian. Puder, Cremen und Markenwindeln wurden wegrationalisiert. Den Luxus leisten sich nur verhätschelte Erstgeborene.

Auch Erinnerungen halten wir sparsamer fest. Die Fotodichte betrug bei Florian noch circa 10 FPS (Fotos pro Stunde). Bei Basti verwenden wir die Einheit FPW (Fotos pro Woche). Ähnliches gilt fürs Filmmaterial. Bei Nummer eins filmten wir noch jeden Furz, jedes Bäuerchen. Der Director’s Cut von „Florian 0-6 Monate“ kann es locker mit „Vom Winde verweht“ aufnehmen. Bei Basti geht sich maximal eine Folge Simpsons aus.

Das klingt jetzt hart und unfair. Ist es aber nicht. Ein Briefmarkensammler freut sich auch mehr über eine blaue Mauritius als über eine Standard 55 Cent Marke vom Postamt, obwohl es davon Millionen gibt.

Zur Geburt jedes Buben schenkte uns Omi ein Babytagebuch. Florians erste Lebensjahre dokumentierte Heidrun noch voller Mutterliebe Tag für Tag mit lustigen Anekdoten. Sie klebte Fotos ein, das blaue Armband aus dem Spital und eine Haarlocke vom ersten Haarschnitt.

Matthias’ Tagebuch führte sie bereits deutlich sporadischer. Im praktischen Zweijahresrhythmus verfasste sie bisher zwei dafür umso längere Einträge. Armband klebt aber trotzdem drin. Die Haare stammen von Haarschnitt Nummer drei.

Auf Bastis Tagebuch passen wir besonders gut auf. Er ist ja auch etwas ganz Besonderes. Gut geschützt vor schädlichen Umwelteinflüssen lagert es bei konstant 25 Grad originalverschweißt im Abstellraum auf dem Dachboden. Das blaue Armband heben wir in der Küche behutsam irgendwo in der Bestecklade auf. Mit achtzehn Jahren werden wir zeremoniell sein Tagebuch auspacken ihm die Haare schneiden und hineinschreiben „Basti, Matura Juni, 2026“.

Nützlich ist Basti übrigens auch. Zusätzlich zum herumkugelnden Spielzeug verstärkt er als ohrenbetäubende Sirene unsere Hausalarmanlage. Nach einigen Probeläufen bestätigte uns ein Polizist, dass die Sirene zwei Straßen weiter in der nächsten Polizeiwache gut hörbar sei. (Beim nächsten Strandurlaub werden wir im Schwimmflügerl verpassen und als Heulboje vermieten.)

Übrigens, nur zwei Tage später und wir hätten Sebastian für Unsummen auf ebay versteigern können. Ein Baby mit Geburtsdatum 8.8.08 hätten garantiert viele Chinesen gerne adoptiert.

Karenzpapas Wissen des Tages: 8 ist „DIE“ Glückszahl in China und wird mit Erfolg und Reichtum gleichgesetzt. Deshalb begannen auch die olympischen Spiele in Peking am 8.8.08 um 8 Uhr 8.

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